24. Mai 2022

Nachruf

SÜDSUDAN I SUDAN
Pastor Bashir ist Anfang April 42-jährig in einem Krankenhaus in Nairobi verstorben. Er wird uns unvergessen bleiben.

An die erste Begegnung mit Bashir werde ich mich stets erinnern. Es war im Frühjahr 2013 nach seiner Ausweisung aus Khartum. Ich traf ihn im südsudanesischen Juba. Viele unserer Gespräche waren damals geprägt von der Tortur, die er im Sudan durchgestanden hatte. Inhaftierung, Folter und eine überstürzte Ausweisung hatten bei ihm Spuren hinterlassen. Dazu kam der Verlust jeglicher beruflichen Aussichten sowie des Privatvermögens des erfolgreichen Unternehmers und Pastors. Der Sudan war ihm fortan verschlossen – für Bashir und, so schien es, auch für AVC.

Natürlich richtete sich der Blick auch in die Zukunft. Wie konnte es weitergehen für ihn, für AVC? Vielleicht gemeinsam? Eines wurde klar: Hass und Bitterkeit auf die arabischen und muslimischen Sudanesen, die ihm so viel angetan hatten, würden im Herzen des Schwarzafrikaners keinen Raum finden. Im Gegenteil. Dem Trauma entwuchs eine neue Berufung. In weiteren Begegnungen, später auch in Deutschland, entstand die Vision »Back to Sudan with the Gospel«. Warum nicht im Südsudan eine Operationsbasis aufbauen, welche Gemeinden mobilisieren und Leiter ausbilden würde, um diesseits und jenseits der Landesgrenzen das Evangelium zu verbreiten und Gemeinden zu gründen? Warum nicht Mitarbeiter trainieren und aussenden – auch dorthin, wo man selbst nicht mehr hingehen konnte?

Viel erreicht in kurzer Zeit
Im Lauf der wenigen Jahre seit diesen Anfängen ist eine grosse Arbeit entstanden, die zehntausende von Menschen erreicht hat. Da sind zum einen die Christen in den über 100 neugegründeten Gemeinden. Viele von ihnen haben einen muslimischen Hintergrund oder lösten sich aus Verstrickungen in der Zauberei und kamen zum Glauben an Jesus Christus. Zum andern sind da Kinder und Jugendliche, die erstmals elementare Bildung geniessen. Auch helfen wir zahlreichen Opfern von Naturkatastrophen und Überfällen. Und dann sind da jetzt Brunnen, die Zugang zu sauberem Trinkwasser bieten.

In der Fülle der Eindrücke anlässlich gemeinsamer Projektbesuche behält Raja einen besonderen Platz in meinem Herzen. Diese Stadt im äussersten Nordwesten des Landes ist Zentrum okkulter Praktiken. Der Durchbruch bei der dortigen Gemeindegründung gelang in der Folge einiger spektakulärer Heilungen. 2017/18 durchlitten die Menschen dort eine Krisenzeit. Bürgerkrieg und Dürre führten zu Ernteausfällen und Hungersnot. Hilfsgüter über hunderte von Kilometern und durch Rebellengebiet herbeizuschaffen, war nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Nach einer strapaziösen Anreise, selbst im geländegängigen Fahrzeug, konnten wir zwei LKW-Ladungen an Getreide in Empfang nehmen und so die ersehnte Hilfe bringen. Neben Gottes Schutz trug Bashirs Geschick massgeblich zum Gelingen dieser gefährlichen Aktion bei. Später half die Verteilung von Saatgut, die lokale Versorgung in Gang zu bringen. In der Zwischenzeit hat die Gemeinde vier Tochtergemeinden gegründet. In einer neuen Grundschule werden knapp 1000 Kinder unterrichtet. Die Stadt hat sich verändert.

Charisma und Leidenschaft für Jesus
Das Charisma und seine Leidenschaft für Jesus halfen Bashir bei der Umsetzung seiner grossen Vision. Menschen folgten ihm gerne und waren bereit, erhebliche Opfer zu bringen, um Teil dieser Vision zu sein. Sicher auch deshalb, weil Bashir selbst vollen Einsatz erbrachte. Mit seinem alten Leben hatte er in der Todeszelle des Gefängnisses von Khartum abgeschlossen. Das geschenkte neue Leben war er bereit einzusetzen. Ihm war kein Weg zu beschwerlich, keine Mission zu gefährlich. Das trug ihm während der Zeit im Südsudan Überfälle und Ausplünderung, Inhaftierungen und Folter ein. Dabei blieb er immer ein fröhlicher Mensch mit einer guten Portion Humor – und einer Schwäche für Glacé.

Ein schmerzhafter Verlust
In Bashir verlieren wir nicht nur einen starken Partner, sondern auch einen lieben Freund. Sacha Ernst, stellvertretender Leiter von AVC Schweiz: »Du fehlst mir, du fehlst meiner Familie, besonders meinen Kindern, die regelmässig fragen: ›Wieso musste Bashir schon sterben?‹ Du fehlst uns AVC-Mitarbeitenden, du fehlst eigentlich an allen Ecken und Enden, und doch konnte es Gott sich leisten, ein solch einzigartiges Werkzeug seines Reiches nach Hause zu holen.«

Sacha erinnert sich weiter: »Wenn du bei uns warst, gingst du oft als Letzter zu Bett und warst als Erster wieder wach. Du konntest höchstens fünf bis zehn Minuten am Stück schlafen, bevor dich die Folterszenen von 2013 einholten und dich das Trauma schweissgebadet aufwachen liess. Du hast mehr Schlimmes erlitten, als ein Mensch verkraften kann. Gleichwohl warst du es, der mich ermahnte, immer mein Herz zu bewahren: ›Als der Folterknecht mir sagte, ich würde wie eine Frau um mein Leben winseln, antwortete ich ihm: Was auch immer du tust, ich sterbe als Mann!‹ Da ergriff ihn ein so grosser Zorn, dass er eine Eisenkette um seine Faust wickelte und mich damit ins Gesicht schlug – immer und immer wieder, bis ich nichts mehr sehen konnte. Und als er auf mich einschlug, da wusste ich plötzlich: Ich konnte ihn hassen und mein Herz verseuchen, oder ich konnte ihm vergeben und ihn lieben und mein Herz bewahren. Um alles in der Welt wollte ich mein Herz bewahren.«

Für die weitere Arbeit im Südsudan vertrauen wir auf Gottes Fürsorge. Bitte denkt in euren Gebeten besonders an dieses Land.

Bild 1: Pastor Bashir
Bild 2: Abschied von Pastor Bashir. Was bleibt, sind die weitreichenden Auswirkungen seines kurzen Lebens.




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