10. Januar 2022

Gejagt in China

RÜCKBLENDE
Gegen Mitternacht erreichen wir unser Ziel, irgendwo am Yangtze River. Ein Boot wartet auf uns. Motorengeknatter zerreisst die nächtlichen Stille der einsamen Gegend. Und dann …

…erscheint auf der Bildfläche, weit entfernt, die Polizei! Geduckt hetzen wir über das Feld in Richtung Fluss. Daniel, Rauno und ich finden uns auf dem Boot wieder. Wie wir das geschafft haben, weiß ich nicht. Der Bootsführer legt ab, doch schon erreichen uns die drohenden Rufe der Polizei.

Im Fluchtmodus
Sie befehlen dem Bootführer, sofort zu umzukehren. Er zögert und wendet schließlich – wohlwissend, dass Gewehrkugeln schneller sind als sein Boot. Um nicht entdeckt zu werden, legen wir drei uns auf den Boden. Während wir zurück zu den Polizisten geschippert werden, fragen wir uns fieberhaft, was wohl geschehen werde.

Zu beanstanden gibt’s so einiges: Wir sind Touristen ohne Aufenthaltsbewilligung für diese einsame Gegend. Wir führen eine Menge Bargeld mit – zur Unterstützung von über 100 vollzeitlichen Evangelisten und Hausgemeinden in Not. Die chinesische Währung kennt nur kleine Scheine, weswegen unser Gepäck mit zahlreichen dicken Geldbündeln vollgestopft ist. Wohin damit? Auf die Schnelle ein Versteck auf dem Boot zu finden, ist unmöglich.

Kühnheit gefragt
Unabhängig voneinander, mit deutlich erhöhter Herzfrequenz, schreien wir lautlos zu Gott. Die Polizisten erreichen das Ufer. Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen streifen immer wieder unser Boot. Erkennen sie uns, am Boden hinter der Bordwand? Eingeschüchtert tuckert der Bootsmann zurück zur Anlegestelle. Die Polizisten klettern an Bord. In uns muss sich eine grundlegende Wandlung vollzogen haben. Jedenfalls stehen wir auf. Tollkühn konfisziere ich die Lampe eines der Polizisten, richte das Licht auf mein Gesicht, dann auf meinen Reisepass und frage: »Was willst du von mir?«

Zu dritt bauen wir uns vor den Beamten auf. Unser beherzter Auftritt scheint diese zu verwirren. Vielleicht begegnen sie zum ersten Mal richtigen Ausländern. Jedenfalls verlassen sie das Boot, und wir fahren los. Unterwegs tauschen wir aus. Es stellt sich heraus: Jeder von uns hatte um dasselbe gebetet: um Kühnheit und Mut im Umgang mit der Polizei. Wir wurden offensichtlich erhört.

Ein Bericht von Waldemar Sardaczuk, Mitbegründer AVC Deutschland



Informiert bleiben

Jedem Engagement geht der Wunsch voraus, informiert zu bleiben. Wir haben verschiedene kostenlose Angebote für Sie, digital und gedruckt. Bleiben Sie auf dem Laufenden.

Slogan Footer
Sprachwahl DE / FR / EN