05. Juni 2024

Die beste Art zu reisen

BULGARIEN
Ein Landdienst der speziellen Art ist ein Baueinsatz mit AVC in den »bulgarischen Alpen«, dem Rhodopengebirge, in abgeschiedenen Dörflein fernab der Zivilisation. Ein Einsatzteilnehmer berichtet.

Im bulgarischen Rhodopengebirge lebt eine muslimische Minderheit. Mitko und Juja, unsere Partner vor Ort, investieren sich seit Jahren in diese Region. Sie dienen der Bevölkerung mit praktischer Hilfe in der Landwirtschaft, mit Ermutigung und Gebet. Auch bauen sie seit einigen Jahren an einem Gemeindezentrum im 50-Seelen-Dorf Planinets. AVC unterstützt diese Arbeiten mit Baueinsätzen. Ralph Holman, einer der Teilnehmenden am diesjährigen Einsatz im März, berichtet.

»Wir sind nach Bulgarien gereist, um Mitko zu dienen. So initiieren wir unseren Baueinsatz, indem wir Mitko um eine sinnvolle Arbeitsaufteilung bitten. Ich helfe bei Veloreparaturen. Mitko hat einen Schuppen mit alten Fahrrädern und wir separieren zunächst die defekten Teile von den funktionstüchtigen. Am Ende des Tages sind zwischen sechs und neun Velos fahrbereit. Zwei davon möchte Mitko einer vereinsamten Familie in einem vergessenen Bergtal schenken, um den beiden Töchtern den Schulweg zu erleichtern. Für gewöhnlich laufen sie stundenlang zu Fuss.

Knöcheltief im Beton
An den folgenden Arbeitstagen geht es darum, den Vorplatz des neuen Gemeindezentrums zu betonieren. Zunächst entfernen wir das Unkraut und umzäunen den Bereich mit Steinen und Gabionen. Der Beton findet dadurch Halt und Mitko spart beim Gesamtvolumen des Baustoffs. Danach wird der Vorplatz von 10 m3 Beton bedeckt. Die Ladung eines Betonmischers reicht nicht aus, weitere 3 m3 mischen wir selbst.

Ich schaufle die Masse an den richtigen Ort und stehe dabei in Gummistiefeln knöcheltief im Beton. Wir arbeiten zügig und vermeiden es, die Hausfassade zu verschmutzen. Es ist warm und staubig, ich strotze vor Dreck von Kopf bis Fuss und fühle mich wie ein Dampflokarbeiter aus dem 19. Jahrhundert, der immerzu Kohle schaufelt. Unsere Anstrengung trägt Frucht: Die Betonmasse ist schön verteilt und ausgeglichen – zur grossen Freude von Mitko, der den geebneten Vorplatz als Werkhof nutzen will.

Mitko lässt durchblicken, dass es im Umkreis von 100 Kilometern kein Spital gibt, und dass wir, sollte uns etwas zustossen, in Gottes Händen sind. Bei der anschliessenden Überkopfarbeit mit einer Kettensäge an gut 40 Pfählen für einen Viehzaun gelingt es mir, die mangelnde medizinische Versorgung auszublenden.

Mehrsprachiger Lobgesang
Das Beste an diesem Einsatz ist für mich die Ausgeglichenheit zwischen Arbeit und Ruhe. Täglich werden wir von Juja mit bulgarischen, türkischen und griechischen Speisen verwöhnt. Schliesslich liegt Planinets unweit der Grenze zu Griechenland und der Türkei. Auch Nansi, die Tochter von Juja und Mitko, kommt nach Planinets hoch. Die Hydraulik des Traktors ist geplatzt und sie bringt einen neuen Schlauch. Sie hat auch Musikinstrumente dabei und wir feiern gemeinsam Lobpreis – manchmal auf Deutsch, manchmal auf Englisch, manchmal auf Bulgarisch, meist aber in einer mehrstimmigen Mischform.

Um die Fahrräder zu bringen, besuchen wir die anfangs erwähnte, vereinsamte Familie mit den zwei Töchtern. Mitko erzählt, dass er von Gott geleitet wurde, um diese Familie überhaupt zu finden. Es gibt nämlich keine Strassenschilder, die Siedlung ist nicht auf der Landkarte eingezeichnet, und an zwei Wegkreuzungen muss man sich richtig entscheiden, sonst verpasst man das Tal. Und selbst dann, wenn man sich auskennt, kann der Schnee im Winter die Anfahrt zeitweise verunmöglichen. Während wir mit der Familie den Hauskaffee geniessen und dabei ihre Lebensgeschichte erfahren, werden per Hotspot diverse Programme auf ihren Laptop geladen. Die Bauersleute versorgen und betreuen ihr Vieh weitgehend selbst. Die Anreise eines Tierarztes kann eine Weile dauern. Es ist die letzte Familie in diesem Dorf, weil alle anderen weggezogen sind. Später kommt noch ein Jäger vorbei und erzählt von einem Wolfsrudel in der Gegend. Dann gibt es Abendessen. Es ist köstlich und ich bin überzeugt: Mission ist die beste Art zu reisen.«




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